An diesem frühen Herbstmorgen hat der Maler kräftige Farben gewählt. Hell leuchtet das Laub der Bäume, fast unnatürlich blau strahlt der Himmel mit der grünen Almwiese um die Wette. Der Frühnebel zieht sich langsam aus dem schmalen Tal zurück und der Künstler pinselt drei strahlend weiße Farbtupfer in die Bildmitte.
Sein Lieblingsmotiv ist wieder unterwegs! Munter trabt die kleine Abteilung den Waldweg hinauf. Gut eine Stunde dauert eine Wanderung bis zur Zöhreralm, Andrassa schafft die 400 Höhenmeter heute spielend in knapp 20 Minuten. Aufmerksam sprintet sie den flachen Forstweg hinauf und wirbelt mit ihren großen Sprüngen kleine Kieselsteine auf. Die Elfjährige ist in Bestform und freut sich sichtlich, an diesem sonnigen Vormittag mit ihren zwei Stallnachbarinnen den Unnütz hinaufzutraben. Entspannt trägt die schneeweiße Lipizzanerstute ihre Reiterin auf die 1.334 Meter hoch gelegene Alm.

Ausritte zwischen Achensee und Alm

Schon im 15. Jahrhundert nächtigten schwere Kaltblüter in der ehemaligen Posthalterei zu Achenkirch. Während die robusten Postgäule hier einen einfachen Unterstand fanden, wurden Kutscher und Passagiere an der benachbarten Raststation verkostet. Sogar Kaiser Franz Joseph I. kehrte hier ein. Heute glänzen zwölf edle Lipizzaner in den hellen Ställen im Tiroler Dorf Achenkirch, die Pferde gehören zu Reiter’s Posthotel. Der Großvater des heutigen Hotelbesitzers betrieb noch mit schweren Noriker-Pferden einfache Postkutschen, bis das Automobil die Pferdestärken ablöste. Seniorchef Karl Reiter führte als leidenschaftlicher Kutscher die Tradition fort und gründete 1989 sein Lipizzaner-Gestüt.
„Heute besitzt er die wohl größte Privatzucht Europas“, berichtet Elisabeth Höllwarth stolz. Da der jetzige Hotelchef Karl Reiter Junior gerade Nachwuchs bekommen hat, führt seine Assistentin durch das 36.000 Quadratmeter große Wellness-Hotel. Sie arbeitet seit 22 Jahren im Posthotel und kennt jeden Winkel. „Bekannt sind die weißen Pferde natürlich aus der Spanischen Hofreitschule in Wien“, ergänzt die Zillertalerin. Mit Piaffen und Passagen beeindrucken sie das weltweite Publikum in der historischen Winterreitschule. Im Posthotel sind die Lipizzaner keine Showpferde, sondern können für Ausritte oder Reitkurse gebucht werden. Nicht-Reiter unternehmen eine Kutschfahrt durchs Tal bis zum Achensee.

© Thomas Sbikowski

Herrliche Aussichten und urige Ansichten verspricht die Zöhreralm © Thomas Sbikowski

Hinauf zur Zöhreralm

Der ungarische Reitlehrer Michael Csizik führt die kleine Abteilung an und wechselt nach kurzem Winken in den Galopp. Die Hufe klappern über den Forstweg und mit wehenden Mähnen rasen die Lipizzaner durch den Posthotel-eigenen Wald zur Zöhreralm hinauf. Oben auf 1.334 Metern angekommen ist die Alm verdächtig leer, nur ein älterer Wanderer sitzt mit seinem braunweißen Jagdhund auf der Sonnenterrasse. Mit einem Fernglas blickt er versonnen auf die umliegenden Gipfel, neben ihm spannt eine blonde Frau einen verblichenen Sonnenschirm für ihre Kinder auf.
„Donnerstags geschlossen“, sagt das Schild, die schwere Holztür der Zöhreralm ist abgesperrt. Doch Wirt Hannes Gruber und seine Frau Steffi haben vorsorglich zwei Kisten mit Getränken im hölzernen Wassertrog kalt gestellt, Preisliste und Kasse hängen an der Seitenwand der großen Hütte. Almdudler und Radler gibt es heute auf Vertrauensbasis. Michael Csizik bindet die Lipizzaner zum Trinken am Brunnen an. Neugierig äugen die stolzen Pferde zu den braunen Kühen hinüber, die auf der anderen Seite des Zaunes auf der steilen Almwiese gemächlich grasen. Leise bimmeln die Kuhglocken, die Tiere wandern unbeeindruckt weiter zu ihrer Tränke.
Die Reiter ziehen kühle Almdudlerflaschen aus dem Wasser und lassen sich auf die verwitterten Bänke der Sonnenterrasse fallen. Bunte Herbstblumen in Rattan-Blumentöpfen verzieren die langen Holztische, eine riesige rot-weiß-rote Österreichflagge weht im Wind. Erste Schönwetterwölkchen ziehen über den Gipfel des Unnütz hinweg, in der Ferne leuchtet der blaugrüne Achensee. Die herbstliche Farbenpracht auf der Zöhreralm hätte den Maler begeistert. Auch hier hätte er die kräftigsten Farben wählen können. Nach der Stärkung auf der Alm schreiten die weißen Farbtupfer gemächlich den Forstweg ins Achental hinab.
 

© Thomas Sbikowski

Wunderbar gelegen: Reiter’s Posthotel Achenkirch © Thomas Sbikowski

Hotel und Gestüt:

Reiter’s Posthotel Achenkirch
A-6215 Achenkirch/Tirol
Tel.: +43 5246 6522

Mail: info@posthotel.at

Internet: www.posthotel.at
 
Doppelzimmer ab 143 Euro pro Person und Nacht inkl. Halbpension
Zweistündiger Ausritt ab 46 Euro
Reit-Angebot: Sieben Übernachtungen mit Wohlfühlpension und zehnstündigem Reitlehrgang ab 1.080 Euro pro Person.