Ein dumpfes Grollen schallt zwischen den Bäumen hervor. Immer tiefer geht es in den Wald, die Piste wird schmaler. Die Skier finden fast automatisch ihren Weg über den hügeligen Pfad und kratzen über die freiliegenden Baumwurzeln. Plötzlich ertönt lautes Gelächter. Eine Hexe hängt vom Baum herab und wird mit einem scharfen Linksschlenker umfahren. Die Geschwindigkeit nimmt zu, an Skipflug ist nicht mehr zu denken. Die Angst vor dem unausweichlichen Sturz wächst.
Dann wird es strahlend hell. Über eine kleine Schneeschanze zwischen den weißen Tannen spuckt die Spezialabfahrt die mutigen Skifahrer wieder auf die breite Waldabfahrt am Schaidberg. Vielleicht sollten nur geübte Fahrer am Schild „Geisterbahn“ links abbiegen.
„Obertauern ist wirklich sehr gemütlich“ findet Walter Gefäll und lehnt sich entspannt an den Wachstisch seines Ladens direkt an der Passhöhe. Er ist Inhaber des ersten Sportgeschäfts in dem kleinen Ort. „Damals gab es hier noch gar nichts“ gibt er die Erzählungen seiner Familie wieder, die seit 1948 in Obertauern Skier verkauft. Neben ihm erinnert eine alte Schwarzweißaufnahme einer Holzhütte mit dem Schriftzug „Gefäll“ an die Anfänge des Skitourismus in den Salzburger Tauern. Weitere gerahmte Bilder zeigen Sportler auf einfachen Holzskiern mit Zipfelmütze bekleidet im Tiefschnee. Gute 60 Jahre später sieht alles anders aus. Beheizte Sesselbahnen befördern die Skifahrer auf die Gipfel und schon morgens um 9 Uhr sind über 100 Kilometer Piste bestens präpariert. Auch die Mode hat sich gewandelt: Mindestens 90 Prozent der Sportler ist mit Helm und getönter Schneebrille unterwegs.
Lautes Lachen und das Klappern von Skischuhen unterbricht den Geschäftsmann, der im 20 Kilometer entfernten Radstadt aufgewachsen ist und auch dort lebt. Eine Gruppe junger Skifahrer stürmt in den Laden und begrüßt „ihren Walter“ herzlich. Sie leihen jedes Jahr ihre Ausrüstung hier und kommen immer wieder gern zu dem herzlichen Team. „Persönlichkeit und Service wird hier groß geschrieben“, so der Inhaber. „Das gilt übrigens für ganz Obertauern“. Da hat er Recht. Von Massentourismus und Hektik ist hier nichts zu sehen. „Der Skiurlaub im Ort ist auch weniger in den Reisekatalogen der großen Veranstalter zu finden, die meisten Gäste buchen ihren Urlaub individuell und direkt im Hotel“, weiß Nadine Rossmann. Die Eventmanagerin vom Tourismusverband in Obertauern kennt auch ihre Stammgäste: „Viele reisen sogar mehrmals in der Saison nach Obertauern.“
Im Uhrzeigersinn um Obertauern
Die Urlauber wohnen überwiegend in den Hotels oder Appartementhäusern am Rande der Pisten. Tagestouristen reisen bequem mit dem Skibus aus Radstadt an oder stellen den eigenen Wagen direkt auf einem der kostenlosen Parkplätze an der Zehnerkar- oder Gamsleitenbahn ab. Schlangen an den Talstationen der Lifte gibt es kaum. Die mittlerweile üblichen berührungslosen Skipässe werden einfach in der Jacke getragen, das Drehkreuz ist schnell passiert. Einzelfahrer nutzen in Obertauern am Lift die abgetrennte Überholspur. So ist auch eine Sechsergondel schnell gefüllt und schwebt lautlos auf über 2.000 Meter Höhe.
„Natürlich fehlen hier die Dreitausender und kilometerlange Abfahrten“, weiß Walter Gefäll. Aber wer ohne zu planen stundenlang über verschiedene Pisten fahren möchte, folgt einfach einer der beiden Tauernrunden. Im Uhrzeigersinn führt die rosafarbene Tour um Obertauern, in die Gegenrichtung gilt es, der grünen Beschilderung zu folgen. Den Pistenplan kann man getrost in der Tasche lassen. An jedem Lift und an wichtigen Kreuzungen an den Hängen finden sich Wegweiser, die wie im Straßenverkehr die Fahrtrichtung zu den verschiedenen Zielen anzeigen. Neben den Talstationen der 19 Sessel- und sechs Schlepplifte sowie der Kabinenbahn sind auch die Nummern und Schwierigkeitsgrade der Abfahrten enthalten.
Rechts geht es zur Edelweißhütte, die linke Abfahrt verspricht das Schaidbergstüberl. Die Nachmittagssonne scheint auf die Bergstation der Plattenkarbahn herab und der blaue Himmel lässt die weißen Tannen noch mehr strahlen. Die Höhenluft macht hungrig. Die Entscheidung fällt auf die Abfahrt 3e. Mutig geht es über den schwarzen und somit schwierigen Hang mit Einkehrschwung direkt in die Hütte. Von DJ Ötzi keine Spur. Bei Germknödel und Bretzel geht es gemütlich zu. Die Vanillesoße schwappt über den Tellerrand, ein kleiner Junge kann seinen randvoll gefüllten Teller vor Aufregung kaum gerade halten. „Ich hab eine echte Hexe im Wald gesehen!“.
Reisetipps Obertauern
Obertauern liegt inmitten der Radstädter Tauern im Südosten des Bundeslandes Salzburg. Rund 100 Kilometer bestens präparierte Pisten und 26 Liftanlagen rund um den Ort bieten Wintersportmöglichkeiten für Anfänger und Fortgeschrittene zwischen 1.630 und 2.313 Metern Höhe. Das Skigebiet ist für Skineulinge und Profis gleichermaßen geeignet.
Anreise:
Über die Tauernautobahn A10 ist Obertauern mit dem Auto in einer knappen Stunde von Salzburg aus zu erreichen. Die österreichische Bahn fährt bis Radstadt, ein Postbus bietet regelmäßigen Anschluss nach Obertauern. Vom Salzburger Airport sind es rund 90 Kilometer, für 43 Euro return ist ein Shuttleservice buchbar.
Skipass / Skiverleih:
Für 38 Euro ist eine Tageskarte erhältlich. Wer sechs Tage fahren möchte, zahlt in der Hauptsaison 187,50 Euro für den Skipass.
Ski und Schuhe sind ab 33 Euro pro Tag zu leihen. Für eine Woche ist man mit ca. 125 Euro dabei. Persönliche Beratung und Service gibt es bei Sport2000 Gefäll direkt an der Passhöhe (Tel. +43 (0) 6456 / 7231. www.gefaell.at).
Weitere Infos:
Tourismusamt Obertauern. 5562 Obertauern, Salzburger Land, Österreich. Tel. +43 (0)6456 / 7252
www.obertauern.com