Vor dem unscheinbaren, bräunlichen Torbogen der Prager Burg steht ein großer Wachmann unbeweglich vor seinem grauweiß gestreiften Häuschen. Die Pelzmütze tief ins Gesicht gezogen bewacht er seit dem frühen Morgen den Zugang zur größten Burganlage der Welt. Bis zum mittäglichen Wachwechsel ruht sein Blick auf der kopfsteingepflasterten Straße, die hinab in die goldene Stadt führt.
Frühes Aufstehen ist in Prag ein Muss, denn durchschnittlich besuchen mehr als 10.000 Touristen pro Tag die berühmte Stadt. Da kann es auf der Karlsbrücke oder dem Wenzelsplatz schon einmal eng werden. Eine richtige Nebensaison gibt es mittlerweile nicht mehr, selbst im Winter fahren Touristen aus aller Welt nach Prag, um eine der größten, denkmalgeschützten Zonen Europas zu erkunden. Fast das ganze Zentrum steht auf der Liste der UNESCO Weltkulturerbestätten.
Barock-, Gotik und Jugendstilfassaden wechseln sich ab, die bewegte Historie der tschechischen Hauptstadt spiegelt sich in der Architektur wider. Die Innenstadt Prags gleicht daher einem Museum. Schon der Prag-Fan Thomas Mann betitelte Prag als Stadt „deren architektonischer Zauber fast einzigartig unter allen Städten der Welt ist“. Für die Zeit nach der Wende stimmt das auch wieder. Unsummen flossen ist die Restaurierungen der historischen Gebäude. Heute trägt die goldene Stadt ihren Namen wieder zu Recht. Es gibt viel zu sehen, aber was ist in 48 Stunden zu schaffen?
Freitagabend – Zeit für ein Feierabendbier
Statistisch gesehen trinken die Tschechen rund 160 Liter Bier im Jahr. Der Gerstensaft hat in Prag eine lange Tradition, schon seit mehr als 1000 Jahren wird hier gebraut. Prag-Reisende kommen am Nationalgetränk gar nicht vorbei. Vom Hotel in der Altstadt geht es zu Fuß durch die engen Gassen der Stadt, vorbei an den zahlreichen, hell angestrahlten Kirchen und historischen Gebäuden. Unzählige Kneipen bieten unzählige Biersorten und deftige, böhmische Küche. Die Wahl zwischen historischem Gewölbekeller und schickem Szene-Lokal fällt schwer.
Wer ein Bier bestellt, bekommt in Prag grundsätzlich ein Halbliterglas. Zumeist wird heller Gerstensaft ausgeschenkt, besonders beliebt ist das Pilsener Urquell. Aber auch dunkle Biere stehen auf der Karte. Oder der „Schnitt“. Die Einheimischen empfehlen diese Mischung aus hellem und dunklem Bier. Wichtig ist aber, dass der Gerstensaft auf keinen Fall mit Limonaden gemixt werden darf. Alsterwasser oder Radler sind verpönt. Auch bei der Bestellung „ein kleines Bier“ spricht der Blick der Bedienung Bände. Die Ausrede „Ich muss noch fahren“ zieht hier übrigens nicht. In Tschechien gilt die Null Promille Toleranz.
Shopping im „Museum Prag“: Rund um Altstädter Ring und Wenzelsplatz
Samstagvormittag geht es durch die verwinkelten Gassen der Prager Altstadt. Ohne Stadtplan fällt die Orientierung schwer. Ausgangspunkt ist der Altstädter Ring. Auf Prags ältestem Platz wurde früher Gemüse, Schmuck und Vieh gehandelt. Heute werben Studenten für Stadtrundfahrten und Führungen. Ihre bunten Schirme leuchten vor dem Rathaus. Eine große Menschenmenge drängt sich hier zusammen und starrt gebannt auf den Turm. Über der astronomischen Uhr schauen zu jeder vollen Stunde die zwölf Apostel aus zwei kleinen, unscheinbaren Fenstern heraus.
Schlag 11 beginnt das Schauspiel. Die Türen schwingen auf und zeitgleich präsentieren sich die ersten zwei Apostel. Nach einer knappen Minute ist das Schauspiel vorbei, die Luken geschlossen. Ein wenig überrascht schauen sich die Touristen an und blicken weiter auf die berühmte Uhr. Doch bis zur nächsten vollen Stunde bleiben die Fenster geschlossen.
Früh aufstehen am Sonntag: Karlsbrücke und Prager Burg
Am frühen Sonntagmorgen geht es direkt zur Karlsbrücke. Hinter Europas prachtvollstem Brückenturm – dem Altstädter Turm – beginnt die 520 Meter lange Sehenswürdigkeit. Bereits kurz nach acht Uhr spazieren rucksackreisende Pärchen über das Kopfsteinpflaster, eine japanische Reisegruppe stellt sich für ein Foto auf.
Die Sonne bahnt sich bereits ihren Weg in das Moldautal und lässt das Relief des heiligen Nepomuk glänzen. Die bekannteste der Brückenfiguren soll Glück bringen. Einheimische und Urlauber versuchen durch das Reiben des bronzenen Reliefs etwas von der heilenden Kraft zu erlangen. Schon ab neun Uhr wird es lebendiger auf der Brücke. Karikaturisten, Puppenspieler und Musiker buhlen um Zuschauer. Es ist Zeit für das nächste Ziel, die Prager Burg. Von der Karlsbrücke sind die weißen Gebäude und Türme hoch über der Stadt bereits zu sehen.
Hinter der Karlsbrücke beginnt die Kleinseite. Im romantischsten Viertel der Stadt lassen Filmregisseure Autos wegfahren und schrauben die Leuchtreklamen ab. Schon ist die perfekte Kulisse aus dem 18. Jahrhundert fertig. Kleine Geschäfte verbergen sich hinter den barocken Torbögen. Blaue Häuser wechseln sich mit gelben und rosafarbenen Gebäuden ab, geschwungene Schriften und goldene Schnörkel verzierten die Fassaden.
Touristenmagnet Hradschin
Durch das Stadtviertel Hradschin führt der Weg auf den gleichnamigen Berg. Hier befindet sich die Prager Burg, dem mit rund 60 Gebäuden größten, zusammenhängenden Burgareal der Welt. Erste Spuren des Machtzentrums gab es bereits im neunten Jahrhundert, das heutige Aussehen stammt jedoch aus der Zeit der Kaiserin Maria Theresia im 18. Jahrhundert. Früher residierten hier böhmische Könige, seit 1918 ist die Burg der Sitz des Staatspräsidenten. Und ein Touristenmagnet. Über eine Million Urlauber pilgern jährlich auf den Hradschin. Die Besichtigung des Areals ist kostenlos, lediglich für die Kirchen und Museen wird eine Eintrittskarte benötigt. Das Short-Visit Angebot mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten für 250 Kc reicht aus.
Wer bereits um 9 Uhr sein Ticket gelöst hat, kann relativ ungestört durch den großen St. Veits Dom schlendern. Das mit 96 Metern höchste Gebäude ist ein Nationalheiligtum für die Tschechen. Hier haben große, böhmische Könige ihre letzte Ruhestätte gefunden. Besonders eindrucksvoll ist das Mausoleum des weit nach seinem Märtyrertod heilig gesprochenen Johannes von Nepomuk. Große, silberne Figuren und Engel umschmiegen die silberne Truhe mit den Reliquien des 1393 getöteten Geistlichen. Deutlich schmuckloser präsentiert sich die kleine, rote Basilika St. Georg. Die spätbarocke Doppeltreppe im Inneren und ein romanischer Chorraum sind aber ein lohnenswertes Motiv. Die Lizenz zum Fotografieren auf der Prager Burg gibt es an allen Kassen, die 50 Kc sind gut investiert.
Historischer Sturz
Der alte Königspalast lohnt ebenfalls einen Besuch. Im 62 Meter langen Vladislav Saal wurden Könige gewählt und Präsidenten vereidigt. Eine Tür weiter befindet sich das berühmteste Fenster der Stadt: Hier wurden 1618 zwei habsburgische Statthalter in den Burggraben gestürzt. Der Prager Fenstersturz löste an dieser Stelle den 30 Jährigen Krieg aus. Der letzte Stopp im Burgviertel ist die Goldgasse. In der hübschen, schmalen Straße mit den niedrigen, farbigen Häusern wurde nie Gold verarbeitet, jedoch schrieb Prags berühmter Bewohner Franz Kafka im Haus Nummer 22 viele seiner Erzählungen und Romane. Der ehemalige Versicherungssachbearbeiter schuf zumeist nachts einzigartige Novellen und ist heute einer der wichtigsten Werbeträger für Prag. Er besitzt seit 2003 sogar ein eigenes Denkmal in der Vezenska-Straße.
Durch das große, gräuliche Tor führt der Weg aus der Prager Burg hinaus. Vom Vorplatz sind die unzähligen Türme der Stadt zu sehen, die Moldau schlängelt sich durch die goldene Stadt. Die Karlsbrücke ist an diesem Sonntagnachmittag voller Menschen. Die Wächter der Burg lassen sich durch den schönen Ausblick nicht ablenken, sie warten unbeweglich auf den nächsten Wachwechsel.