„Sie kennen bestimmt gar nicht die ganze Geschichte der Spanischen Hofreitschule“, behauptet Hans Ruzicka. Das Wiener Urgestein schmunzelt und erzählt aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.

„Da hätte es auf dem Lipizzanergestüt Hostau beinahe jede Menge Rossbratwürste gegeben.“ Humor hat der pensionierte Bauingenieur. Dabei ist es kein Spaß: Die russischen Truppen näherten sich dem damaligen Zuchtgestüt, das kurz hinter der deutsch-tschechischen Grenze lag. Und sie hatten wenig Gespür für die edlen Rösser.

US-General George S. Patton jedoch war Pferdeliebhaber und hatte Gefallen an den weißen Vierbeinern gefunden. Er wusste um das rabiate Vorgehen der Besetzer aus dem Osten. Kurzerhand entführte er die Lipizzanerherde über die Grenze nach Deutschland. „Das war Glück, denn es herrschte Hungersnot und in den 50er Jahren wurde im Wiener Prater sogar tagelang Elefantengulasch serviert, als ein Zirkustier starb“. Hans Ruzicka arbeitete schon in Libyen und im Irak, hat jeden Bundesstaat der USA mindestens einmal bereist. Heute unterhält er seine Fahrgäste mit Anekdoten von früher. Eine Taxifahrt mit Schmankerl-Faktor.

Aberglauben

Dank der Rettungsaktion „Operation Cowboy“ traben auch an diesem sonnigen Sonntagmorgen zwei weiße und zwei braune Pferde in die Winterreitschule. Das Publikum staunt. Soeben erzählte der Vater seinem Sohn stolz, dass alle Lipizzaner weiß sind, schon tritt die Hofreitschule zum Gegenbeweis an. „Vor hunderten von Jahren waren die Wiener abergläubisch“, weiß Finni Ratz. Die junge Kunststudentin ist Reiterin und führt Gäste durch die kaiserlichen Stallungen. Sie klärt auf, warum zwei dunkle Lipizzaner dabei sind: „Solang mindestens ein brauner Hengst in der Stallburg wohnt, wird die Hofreitschule existieren, so die Theorie“.

Die anderen 70 Hengste sind je nach Alter grau bis weiß. Und alle männlich. „Wenn nur eine Stute dabei wäre, hätten wir hier Chaos. Alle würden sich nur nach der Pferdedame umdrehen“ witzelt Dr. Hans-Georg Heinke. In fließendem Wienerisch und Englisch führt der ehemalige Nachrichtensprecher des ORF durch die Vorführung. „Außerdem nutzen wir das natürliche Hengstverhalten für unsere Übungen“. Die Hengste springen in die Luft, drehen sich im Galopp auf der Stelle und piaffieren mit hoch geworfenen Beinen zwischen den zwei Pilonen mit österreichischen Flaggen in der Mitte der Halle.

Miklos Szabo mit Halb-Lipizzaner Roxy

Miklos Szabo mit Halb-Lipizzaner Roxy © Brigitte Bonder

Der vierbeinige Nachwuchs ist gesichert

Wo früher nur die Mitglieder der kaiserlichen Familie sitzen durften, wird heute amerikanisch und italienisch getuschelt. Gäste aus aller Welt sind in die österreichische Hauptstadt gekommen, um die berühmten Tiere zu sehen. Die Hofloge der Winterreitschule ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Vor dem Reiterbildnis von Kaiser Karl VI., dem Erbauer der Halle, lauschen die Besucher den Klängen des berühmten Radetzkymarsches, während die vier Bereiter im braunen Anzug ihre Pferde durch die Reitbahn über die sandfarbene Textilmischung tanzen lassen. „Echter Sand würde zu sehr stauben“ weiß Finni Ratz.

Jährlich werden auf dem österreichischen Staatsgestüt Piber über 50 Fohlen geboren. Nach vier Jahren kommen höchstens acht Tiere nach Wien zur Ausbildung. Die anderen verbleiben auf dem Gestüt oder werden verkauft. Der Lipizzaner Roxy hat es gut getroffen. Er läuft heute im ungarischen Hédervár vor der Ausflugskutsche von Miklos Szabo. Gemeinsam mit der gutmütigen Dorka trabt er durch den kleinen Ort an der 800 jährigen Eiche vorbei. „Im Frühjahrssturm 2007 hat leider ein Blitz den Baum getroffen“, berichtet der junge Autobusfahrer, der seine vier Pferde als Hobby betrachtet. Das Highlight des winzigen Ortes wird von einem Holzkonstrukt gestützt. Ältere Männer kommen hinter den hohen Zäunen ihrer Häuser hervor und schauen, welche Urlauber in ihrem Ort angekommen sind.

Die meisten Gäste wohnen im Schlosshotel Hedervar, viele von ihnen heiraten dort. „Bei feierlichen Anlässen hole ich meine schöne Kutsche aus der Scheune“, berichtet Miklos Szabo. Heute fährt er ein knallgelbes, robustes Modell. Seine Pferde grasen am Ende der Rundfahrt auf der Schlosswiese. Bei den Lipizzanern in Wien steht hingegen Vollkorn- und Sportmüsli auf dem Speiseplan. „Auf die Weide dürfen Sie erst wieder im Alter von etwa 25 Jahren, denn den Pferden steht eine Pension zu“, erzählt Finni Ratz auf Nachfrage. Die Teilnehmer der Stallführung in Wien sind hierüber erleichtert. Denn einen so stolzen Hengst möchte niemand am Würstelstand wieder treffen.


Weitere Informationen:

Tourist Info Wien, Wien 1, Albertinaplatz / Maysedergasse,Tel. +43-1-24 555, täglich 9 – 19 Uhr
info@wien.info
www.wien.info

Reiseführer

Lonely Planet Wien (Deutsche Ausgabe), MAIRUMONT Verlag, 2. Auflage aus März 2011
Gut strukturierter Reiseführer mit Stadtplan und aktuellsten Tipps. Besonders wertvoll: Die Highlights sind für jeden Bezirk Wiens aufgeführt. Ein Routenplaner mit Entfernungen erleichtert die Tagesplanung.

Unterkunft

Unweit der Spanischen Hofreitschule liegt das Altstadthotel Vienna. Das abwechslungsreiche Vier-Sterne Haus bietet faszinierende, völlig individuell gestaltete Zimmer in zentraler Lage. Besonderes Highlight: Die Bösendorfer Suite verfügt über einen eigenen Flügel, der auch genutzt werden darf. Zimmer ab 139 Euro.
Buchung über Schlosshotels & Herrenhäuser, Moosstrasse 60, 5020 Salzburg,  Tel: +43 (0) 662 / 83 06 81 41,
www.schlosshotels.co.at
info@schlosshotels.co.at

Hotel Altstadt Vienna, Kirchengasse 41, A-1070 Wien, Tel.: +43 1 522 66 66
www.altstadt.at
hotel@altstadt.at

Schloss Héderváry, Fö u. 47., H-9178 Hédervár, Tel.: +36 96 213 433
www.hedervar.com
info@hedervar.hu

Events

Bei Vorführungen, der Morgenarbeit oder bei den Stallführungen können die Lipizzaner bewundert werden. Vorführungen zumeist an den Wochenenden ab 23 Euro (Plan unter http://www.srs.at/de/angebot/programm/vorfuehrungen/), Morgenarbeit täglich 10-12 Uhr außer Montags ab 12 Euro. Geführte Rundgänge täglich um 14, 15 und 16 Uhr ab 16 Euro. Achtung: Sommerpause von Mitte Juli bis August.
Spanische Hofreitschule, Michaelerplatz 1, 1010 Wien, Tel: +43 1 533 90 31
www.srs.at

Restauranttipps

Bestes Schnitzel in traditionell uriger Beisl-Atmosphäre. Im Sommer lauschiger Innenhof.
Zu den zwei Lieseln, Burggasse 63, 1070 Wien, Tel.: +43 (0)1 523 32 82
www.2lieserln.at