Es ist eine Kreuzfahrt in die Vergangenheit, als das neue Kreuzfahrtschiff „Star of the Ocean“ von Hamburg aus zu den Metropolen Westeuropas aufbricht. Insbesdondere für Wilhelmina Nissen, die Matriarchin einer Hamburger Kaffeerösterei, die mit Sohn, Nichte und Großnichte an Bord ist. Die 90-jährige will die Woche nutzen, um ein lang gehütetes Geheimnis zu lüften.
Autor Jörg Böhm schrieb den Kreuzfahrtkrimi Moffenkind in Kooperation mit AIDA. Gewisse Ähnlichkeiten zur neuen AIDAprima sind daher nicht rein zufällig. Genau wie die „Prima“ ist auch die „Star of the Ocean“ ein 4000 Passagiere fassendes Kreuzfahrtschiff. „Die Star of the Ocean war das einzige Schiff der Reederei, das in Japan gebaut worden war. Sie war bei ihrer Jungfernfahrt über Indien und Dubai in 80 Tagen um die halbe Welt gefahren, um nun jede Woche von Hamburg aus über die Nordsee die Metropolen Westeuropas anzusteuern.“ Lässt man mal die ausgefallene Jungfernfahrt der AIDAprima außer Acht, beschreibt Böhm genau die Route, auf der das Schiff seit dem Frühjahr 2016 fährt.
„Sieh sie dir an, wie sie sich jetzt schon darum prügeln, als erstes an Bord zu gehen!“ Nick zeigte auf die Gangway , auf der gerade ein bulliger Mann mit einem Dreimillimeter-Kurzhaarschnitt eine ältere Dame fast wie beim Autoscooter auf der Kirmes zur Seite drängte, nur um vor ihr den neuen Luxusdampfer zu betreten.“ Wer schon einmal an Bord war, wird oft schmunzeln, weil ihm Situationen wie diese bekannt vorkommen. Böhm würzt seine Geschichten stets mit einer Prise Insiderwissen, wenn er beispielsweise beschreibt, welche Aufgaben die Scouts – übrigens eine typische Bezeichnung bei AIDA – an Bord übernehmen, wie die Schichten der Offiziere ablaufen oder Landausflüge organisiert werden.
Auch die Route ist bestens recherchiert – wenn der Autor beispielsweise die Ausflüge an Land beschreibt: „Der Fußweg führte über eine Steinbrücke in die Stadt. Linker Hand lag die steinerne Kirche The Parish Church of St Thomas and St. Edmunds, die ebenfalls im gotischen Stil erbaut worden war.“ Die Beschreibungen der Landausflüge machen definitiv Lust, die Städte und Sehenswürdigkeiten zu entdecken. Was einerseits als nützlicher Tipp für die Westeuropa-Kreuzfahrt daherkommt, kann andererseits ein wenig konstruiert wirken, wenn beispielsweise Fakten zu sehr aneinanderreiht werden. Aber darüber man hinwegsehen. Denn das Buch wird mit jeder Seite spannender. Zeitsprünge in die 1940er Jahre machen neugierig: Was ist aus der jungen Niederländerin geworden, die ihrem Tagebuch eine Beziehung zu einem deutschen Wehrmachtssoldaten anvertraut? Und aus ihrer Freundin aus Kindertagen, die sich im Krieg ebenfalls verliebt hat? Schließlich immer wieder die Frage: Warum versammelt Wilhelmina ihre Familie an Bord der „Star of the Ocean“? Früh ahnt der Leser, dass alle Schicksale miteinander verwoben sind. Die Vergangenheit dunkle Geheimnisse birgt. Alles irgendwie zusammenhängt. Aber wie?
Fazit
Jörg Böhm begeistert mit einer spannenden Kriminalgeschichte, historischen Begebenheiten und last but not least einem Blick hinter die Kulissen des Kreuzfahrtschiffbetriebs. Routen- und Schiffsinformationen verpackt er in eine stets spannende Handlung. Selbst Kreuzfahrtprofis dürfen sich auf so manches Aha-Erlebnis freuen. Eine tolle Lektüre für die Kreuzfahrt. Und für eine Tour auf der „AIDAprima“ sowieso.
Moffenkind
Ein Kreuzfahrtkrimi
von Jörg Böhm
Der Kleine Buch Verlag
Ersterscheinung: März 2016
372 Seiten
ISBN-13: 978-3765088087
Preis: 14,90 Euro