Noch habe ich nicht die Routine, um die Strecke zur Schule angemessen einschätzen zu können. Auf dem Weg merke ich jedoch schon bald, dass ich es nicht rechtzeitig schaffen würde.
Als ich dann auch noch meinen Freund den Sadhu am Straßenrand sehe der mich wie immer nett grüßt, beschließe ich mich zu ihm gesellen und wir unterhalten uns sehr lange und gut über Hinduismus und das Leben der Heiligen Männer in Indien. Am frühen Nachmittag gehe ich zu meiner neuen „Arbeitsstelle“ und frage, ob ich noch etwas tun könnte. Auch bekomme ich noch eine tibetische Nonne zugewiesen, der ich zwei Stunden täglich ein wenig mit Englisch helfen werde – ich bin schon sehr gespannt sie zu treffen.
Dann ist es auch schon so weit und die Nachmittagsstunde beginnt – ich sitze in der hinteren Reihe und verfolge wie sich die Schüler und ihr Lehrer mit deutschen Vokabeln abmühen. Nach Ende der Stunde trage ich mich noch für einen zweistündigen Kochkurs am Sonntag ein, ich kann es kaum erwarten die tibetische Cuisine kennen zu lernen. Was man so am Straßenrand angeboten bekommt, ist zumindest schon einmal sehr viel versprechend.
Voller Tagesplan
Freitag schaffe ich es endlich rechtzeitig in der Schule anzukommen und helfe nun schon ein wenig bei der Gestaltung des Unterrichts mit. Die circa zehn Schüler sind alle migrierte Tibeter zwischen 18 und 40, die sehr aufmerksam und fleißig lernen – es ist ihre einzige Chance. Nach der Stunde treffe ich mich mit „meiner“ Nonne. Wenn man bedenkt, dass sie erst seit drei Monaten überhaupt im Land ist und Englisch seit zwei Monaten lernt, ist ihr Sprachniveau wirklich beeindruckend. Wir verstehen uns sehr gut.
Nach dem Nachmittagsunterricht melde ich mich noch in einer nahe gelegenen Schule für einen Hindi-Kurs an, der einen Monat dauert. Mein Tagesplan unter der Woche ist somit also ganz schön voll: 9 bis 10 Uhr Deutsch-Unterricht, 10 bis 12 Uhr Hindi-Kurs, 12.30 bis 14.30 Uhr Englisch-Training mit der Nonne, 15 bis 16 Uhr Deutsch-Unterricht und schließlich noch – je nach Bedarf – von 16 bis 17 Uhr Englisch-Diskussionsrunde mit Tibetern. Ich bin gespannt, wie anstrengend alles wird. Aber was soll’s – ich bin schließlich nicht zum Urlaub hier.
Mit Jampa nach Lower-Dharamsala
Samstagmorgen treffe ich mich mit Jampa, dem tibetischen Mönch, der mich Mittwoch angesprochen hatte. Zusammen korrigieren wir seine Hausaufgaben und üben Konversation. Nach fast zwei Stunden sind wir fertig, und ich möchte mich auf den Weg nach Lower-Dharamsala machen, um mich dort ein wenig umzusehen. Als er schüchtern fragt, ob es denn in Ordnung wäre, wenn er mich begleitet. Ich habe kein Problem damit, und so machen wir uns auf den Weg zur Busstation, um den abenteuerlichen Ritt den Berg hinab zwischen Steilwand und Abhang in rasendem Tempo zu bestreiten. Um nicht unnötig aufzufallen, lasse ich mir nichts anmerken, stelle mir jedoch allzu oft vor, wie wir samt Bus den Berg herunter stürzen – aber Indien ist eben Indien.
In Dharamsala ist es sehr heiß. Ich bin froh, dass ich genug Wasser mitgebracht habe. Die Aussicht ist der reine Wahnsinn, während man von McLeod Ganj nur aufs Tal blicken kann, sieht man von hier die ganze Schönheit des Himalayas – im extremen Kontrast zur grünen Waldgegend hier. Wir streifen durch die Stadt und sehen uns ein wenig um, ich kaufe mir ein Donald-Duck Comic auf Hindi – zwecks des Spracherwerbs versteht sich. Nachdem ich mich heillos verlaufen habe und weder mit den Menschen kommunizieren kann noch eine passende Karte dabei habe, erweist sich mein Begleiter als Geschenk des Himmels – souverän führt er mich durch einsame Gassen zurück zur Busstation. Auch wenn wir uns wegen der Sprachbarriere nur in einfachen Sätzen austauschen können, verstehen wir und mittlerweile bestens.
Busfahren – ein Erlebnis der besonderen Art
Der Bus ist unglaublich voll, doch mein Glaube, dass man unmöglich mehr Menschen in einen Bus stecken kann, wird schnell zerstört als eine ganze Schulklasse laut und höchst erfreut über das lang ersehnte Wochenende über uns herfällt. Sie sind überall – zwischen den Sitzen, auf den Schößen anderer Leute, auf dem Dach und auf Leitern an der Außenseite des Busses stehend. Entsprechend wenig kann man sich frei bewegen, doch dazu bin ich zu meinem Erstaunen ohnehin nicht in der Lage. Jampa, mein buddhistischer Wegbegleiter, lächelt nur müde und meint, dass man es mir ansehe, dass ich noch nie in Indien Bus gefahren bin.
Abends zurück im Guest-House treffe ich all die anderen Mitbewohner und wir sitzen und liegen lange zusammen auf der Terrasse, hören Pink Floyd und genießen die nächtliche Wärme und die weite Aussicht – bis wir uns nicht lange vor Sonnenaufgang auf den Weg in unsere Zimmer machen.
Lesen Sie, was bisher geschah:
15.05.11: Abenteuer Indien: Erlebnisse 6000 Kilometer fern der Heimat
18.05.11: Kuriose Bekanntschaften
Hallo Philipp!
Wow, das klingt echt spannend – Dein Tag ist ja ganz schön vollgepackt! Hoffentlich kommst Du auch weiterhin noch dazu, solche spannenden Berichte zu schreiben! Aber wenn es sich auf Eurer Terrasse so gut entspannen läßt, habe ich da eigentlich keine Zweifel!
Viele Grüße und weiterhin viel Spaß!
Nici