Regen, Regen und noch mehr Regen. Kaum ist die Sonne gnädig genug, sich für eine halbe Stunde blicken zu lassen, beginnt es auch schon wieder wie aus Eimern zu schütten. Ich befinde mich mitten in der Monsunsaison.
Die derzeitigen Regenfälle würden in Deutschland wohl den Katastrophenschutz auf den Plan rufen. Wegen des unberechenbaren Wetters wird jeder Gang zur Schule zum Glücksspiel. Manchmal hat man Glück und kommt trocken an oder man verbringt den restlichen Tag in durchnässten Klamotten. Doch bald zeigt sich ein kleiner Hoffnungsschimmer, ein Tag auf den ich sehr gespannt bin: Der Geburtstag des Dalai Lamas. Zufällig hat die Tochter meiner Hindi-Lehrerin am selben Tag ebenfalls Geburtstag, wodurch ich zwei große Feiern auf dem Plan habe.
Aufgrund der Feierlichkeiten für seine Heiligkeit, entfällt wieder einmal der Unterricht, und ich freue mich auf einen aufregenden Tag mit dem Besten aus beiden Welten: Eine Geburtstagsfeier in buddhistischer und eine in indischer Gesellschaft.
Doch als ich an besagtem Tag morgens aufwache, höre ich bereits das erste Problem: Der Regen prasselt lautstark auf das dünne Blechdach meiner Unterkunft. Ich mache einen verzweifelten Versuch los zu gehen, doch als ich trotz Regenjacke und -hose nach wenigen Minuten durchnässt bin, breche ich den Versuch ab und warte erst einmal ab.
Nur die Ruhe
Eine der wichtigsten Eigenschaften, die ich hier gelernt habe, ist wohl die die Dinge so zu nehmen, wie sie sind. Der Monsun hört nicht auf, nur weil sich jemand darüber ärgert. Nimmt man sich dagegen ein Beispiel an den entspannten Indern und geht das Ganze etwas geduldiger an, so kann man auch die weniger freundlichen Tage genießen. So verbringe ich den Vormittag mit einigen Büchern auf dem überdachten Balkon und höre dem Regen zu. Solange man sich nicht unter freiem Himmel befindet, ist es ein beeindruckendes Schauspiel.
Als es endlich aufklart bin ich schon startbereit und schaffe es dann tatsächlich trockenen Fußes bis nach McLeod Ganj. Auf dem Weg zum Haupttempel begegne ich einer guten Freundin, die in derselben Organisation wie ich Freiwilligenarbeit leistet. Als sie erfährt, wohin ich unterwegs bin, kommt die große Ernüchterung: Der Großteil der Veranstaltung fand morgens statt, als ich noch in Bhagsu fest saß. Andererseits berichtet sie auch, dass derart viele Menschen vor Ort waren, dass es ohnehin unmöglich gewesen sei, etwas von der Hauptveranstaltung mit zu bekommen.
Es ist zwar etwas schade, dass ich nicht dabei sein konnte, doch wie es aussieht, scheine ich nicht viel verpasst zu haben. Kurzfristig beschließen wir, gemeinsam ein Eis essen zu gehen und haben eine nette Unterhaltung. So hat sich die vermeintliche Enttäuschung schnell zum Guten gewendet.
Abends ist es dann so weit: Ich gehe auf die indische Feier. Es gibt viel Musik und Berge an Essen und Süßigkeiten. Uns etwa vierzig Gästen geht es gut. Je später der Abend, desto besser wird die Stimmung, und ich werde Zeuge von original indischen Tänzen. Es gibt viele gute Konversationen. Neben indischen Verwandten sind auch einige Reisende unter den Gästen – es wird also nicht langweilig. Doch leider kann ich nicht lange bleiben, denn am nächsten Tag ist Unterricht. Und übermüdet lehrt es sich nicht allzu gut. Ich bedanke mich bei den Gastgebern und mache mich auf den Weg durch die Dunkelheit, zu meiner bescheidenen, aber gemütlichen Bleibe.
In Indien produziert
Als ich am nächsten Tag von der Arbeit nach Hause komme, beschließe ich spontan, mir auf dem Weg ein Sandwich zu kaufen. Als mir der Verkäufer die Tüte reicht, bin ich sichtlich überrascht. Es ist eine Plastiktüte mit grüner Aufschrift „Salatgenuss – Salatcroutons mit Kräutern und Zwiebeln“. Es besteht keine Frage: Es ist eine deutsche Lebensmittelverpackung. Während ich nach Hause spaziere, wundere ich mich, wie die wohl hier her gekommen ist.
Dann komme ich auf die recht simple Lösung: Die Verpackungen werden aus Kostengründen hier hergestellt und dann exportiert. Die Löhne hier sind bekanntermaßen weit unter europäischem Niveau. Ein einfacher Weg für die großen Firmen noch mehr Geld zu verdienen. Wenn bei der Produktion etwas schief läuft und die Verpackungen beschädigt sind, nimmt die Firma sie nicht mehr ab und die Inder basteln daraus Einweg-Tüten für ihre alltäglichen Einkäufe. Da sag noch einer, dass Deutschland am besten recycelt.
Bevor ich es realisiere ist eine weitere Woche vorbei, und ich merke dass mein Aufenthalt mit großen Schritten seinem Ende zugeht. Noch eine Woche und meine Arbeitszeit ist vorüber. Fast 200 Stunden habe ich unterrichtet und Nachhilfe gegeben. Ich gestehe, dass ich nach all der Zeit doch froh bin, meine Zeit wieder zur freien Verfügung zu haben, auch wenn es eine sehr schöne Tätigkeit war.
Es wird also Zeit zu überlegen, was ich als nächstes vorhabe. Die Möglichkeiten scheinen endlos. Jeep-Safaris, Dschungel-Expeditionen, Trekking im Himalaja, Städte-Touren, Elefanten-Reiten – die Liste hört nicht auf. Daher verbringe ich nun Abend um Abend mit meinem Indien-Reiseführer und versuche, aus der unglaublichen Vielfalt das Richtige für mich zu finden. Wohin es mich wohl als nächstes verschlägt?
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31.05.11: Erste Versuche in Hindi
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