Die wenigen Tage in Amritsar sind nun vorüber und ich verlasse das Hotel, um mich auf den Weg nach Jaipur zu machen. Ein wenig bemitleide ich den Fahrrad-Rikscha-Fahrer, der mich und meine Trekking-Ausrüstung mühsam durch die Stadt navigiert, doch bei dem Preis, der von Touristen verlangt wird, kann er sich wohl kaum beschweren. Im Zug kette ich noch meinen Rucksack an die Sitze und krieche in meine Koje – dann schlafe ich tief und fest.
Als ich aufwache und aus dem Fenster sehe, hat sich die Landschaft verändert, die Berge sind verschwunden und auch das viele Grün, das mich bisher umgab, ist deutlich weniger geworden. Gegen sieben Uhr morgens erreichen wir Jaipur und ich rüste mich für einen der angeblich größten Schwachpunkte der Stadt: Die Ankunft am Bahnhof. Noch bevor ich das Gebäude überhaupt verlassen habe, bin ich von plärrenden Taxi- und Rikscha-Fahrern umgeben, von allen Seiten wird an mir gezogen und auf mich eingeredet.
Doch ich habe bereits eine Taktik für diese Situationen entwickelt: Einfach einige Minuten hinsetzen, entspannen, in Ruhe überlegen, bis sich der Pulk auf den nächsten Touristen gestürzt hat und man bessere Chancen auf ein gutes Angebot hat. Ein relativ junger Fahrer bietet mir verschiedene Hotels an und als er eine Unterkunft für um die 200 Rupien (ungefähr drei Euro) pro Nacht vorschlägt, handle ich noch kurz um den Fahrpreis und folge ihm.
Eindrucksvolle Architektur
Im Guesthouse angekommen bietet er mir zusätzlich noch eine Stadtrundfahrt an, und da er nicht allzu viel verlangt und ich ohnehin die Stadt sehen wollte, willige ich ein. Nach einer Stunde ausruhen bin ich wieder fit. Als erstes geht es zum Stadtpalast, einem großen Komplex, der einen Großteil der Altstadt in Anspruch nimmt und früher der Wohnsitz der Maharajas von Rajasthan war.
Vor allem die Architektur ist sehr beeindruckend, wie aus Tausendundeiner Nacht sind die Fassaden, Torbögen und Dachzinnen reich verziert und bemalt. Der Reichtum der ehemaligen Herrscher ist unübersehbar. Auch ein Waffenmuseum gibt es zu besichtigen, das all die kunstvoll gestalteten Dolche, Speere und Lanzen der stolzen Wüstenkämpfer ausstellt.
Danach geht es quer über die Straße zum Jantar Mantar, dem Freiluftobservatorium Jaipurs. Es wurde einst von den klugen Köpfen im Dienste des Maharajas errichtet, um Näheres über die Himmelskörper, deren Bahnen und die Wechselwirkungen der Erde zu erfahren. Es ist sehr interessant, wie man vor so vielen Jahren ohne Messinstrumente bereits so viel erforschen konnte, allein durch exakte Baukunst und geniale Überlegungen. Im Laufe des Tages besuchen wir noch den etwas außerhalb gelegenen Palast von Amber, den Wasser Palast, die Albert Hall im Stadtzentrum und zu guter Letzt natürlich noch den Hawa Mahal, besser bekannt unter dem Namen Palast der Winde. Nach so viel Sightseeing gleich am ersten Tag bin ich geschafft und bitte meinen Fahrer, mich zum Guesthouse zu bringen.
Doch lange sollte ich keine Ruhe haben, denn als ich aussteige fragt mich mein neuer Freund, ob ich nicht mit ihm auf eine Party am Abend gehen möchte. Es dauert nicht lange bis er mich trotz meiner Erschöpfung überredet hat und so sehe ich ihn am frühen Abend wieder. In einem der größeren Hotels angekommen, hört man schon laute Musik. Wir finden uns auf dem Hausdach wieder, wo es die anwesenden Inder richtig krachen lassen. Eine Freiluft-Disko über den Dächern der Stadt. Ich werde noch einigen anderen Freunden vorgestellt und wir unterhalten uns lange über Indien, Reisen und welche Musik in unseren Heimatländern derzeit beliebt ist.
Schattenseiten
In den nächsten Tagen lerne ich auch die andere Seite der Stadt kennen: Es gibt sehr viel Verschmutzung und die Luft ist durch die vielen Abgase unerträglich. Zu dieser Zeit sind aufgrund der Hitze kaum Touristen hier, was dazu führt, dass sich umso mehr Leute um die Touristen vor Ort scharen – sei es, um zu betteln, zu verkaufen, zu stehlen oder einfach nur Eindruck zu schinden. Mehr und mehr habe ich genug davon. Als ein kleiner Junge versucht, mich zu bestehlen, reicht es mir – ich buche mein Zug-Ticket nach Jaisalmer.
So kommt es dass ich nur wenige Tage nach meiner Ankunft erneut im Zug übernachte und mich nach etwas mehr als elf Stunden in den engen Abteilen in der Wüstenstadt wieder finde. Die Landschaft hat sich nun radikal verändert: Überall Sand und Geröll, die spärliche Vegetation besteht hauptsächlich aus trockenen Dornensträuchern. Die Sonne brennt herab und die wunderschönen Häuser sind, wie alles andere und bald auch ich, mit einer feinen Schicht Sand bedeckt. Am Bahnhof werde ich von einem Guesthouse Besitzer in Empfang genommen, der mir ein Zimmer für gerade einmal 100 Rs pro Nacht anbietet. So habe ich schnell eine sehr schöne und billige Bleibe gefunden, und kann nun mein nächstes Abenteuer planen: Eine Kamel-Safari durch die Wüste Thar.
Es gibt viele Angebote und nach einigem Überlegen habe ich eines gefunden, das meinen Wünschen entspricht: Zwei Wochen durch die menschenleere Wüste mit Besichtigung verlassener Städte und Tempel, jede Nacht im Freien unter den Sternen. Ich kann es kaum erwarten und bin gespannt was ich nach meiner Rückkehr zu berichten habe.
Lesen Sie, was bisher geschah:
15.05.11: Abenteuer Indien: Erlebnisse 6000 Kilometer fern der Heimat
18.05.11: Kuriose Bekanntschaften
22.05.11: Die ganze Schönheit des Himalayas
31.05.11: Erste Versuche in Hindi
10.06.11: Alles ist in Bewegung
22.06.2011: Aufbruch zur Schneegrenze
02.07.2011: Besuch beim Dalai Lama
14.07.2011: Die Monsunzeit hat begonnen
22.07.2011: Entdeckungen im Punjab
hi Phil,
wow ich hätte nie gedacht das mich mal ein Reisetagebuch so fesseln könnte.
Du wirst ja zu einem richtigen Weltenbummler. Ich wünsche dir noch viel Spaß und genieße die Zeit.
Liebe Grüße von Franzi